Die behinderungs- oder krankheitsbedingte Beeinträchtigung der rechtlichen Integrität des Einzelnen stellt eine Ungleichheit im Rechtsverkehr dar . Diese Ungleichheit bedeutet für die Rechtsgemeinschaft eine Regularitätskrise. Berufsbetreuer verstehen sich als Vertrauenspersonen einer fürsorgenden Rechtspflege, deren Aufgabe es ist, diese Regularitätskrise zu beheben, indem gemäß § 1896 BGB die Integrität von Menschen mit Behinderungen und Krankheiten geschützt wird. Betreuer sind somit als Vertrauenspersonen innerhalb eines rechtlichen Verfahrens zu verstehen, dass der Wiederherstellung der rechtlichen Integrität dieser Personen gilt. Ihr darauf bezogenes Berufsleitbild ist es, durch eine Kombination von „besonderen personalen, fachlich-methodischen und rechtlichen Qualifikationen persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Betreuten und dem Allgemeinwohl“ zu erbringen. „Damit erfüllen sie nicht nur eine individuelle Funktion für die Klienten, sondern auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion im System der sozialen Sicherung und Versorgung.“
Berufsleitbild und Grundrechtsbezug
Im Mittelpunkt betreuerischen Handelns steht das Wohl der Betreuten gemäß §1901 BGB. Der Begriff des Wohls hat eine deutlich subjektive Komponente und kann sich nur in Grenzfällen, in denen keine direkte Kommunikation mehr möglich ist, auf den sogenannten, sachlich zu ermittelnden „mutmaßlichen Willen“ des Betroffenen zurückziehen. Indem die Betreuung das subjektive „Wohl der Betreuten, ihre Selbstbestimmung und Menschenwürde in den Vordergrund stellt, ist sie eine berufliche Tätigkeit mit unmittelbarem Grundrechtsbezug.“ Die verfassungsrechtliche Grundlage der Betreuung ergibt sich Art. 1 I 1 GG und der dort formulierten Würde des Menschen, aus der folgt, dass der Mensch als Rechtsperson anzuerkennen ist, unabhängig von seinen tatsächlichen konkreten Kompetenzen, seine Rechte wahrzunehmen. Betreuuung sichert die Rechtsgleichheit der Menschen als Bürger, indem sie auch für den in seiner Eigenverantwortlichkeit eingeschränkten Menschen die Verwirklichung seiner Rechte garantiert.
Leitbild: Professionelle und fallangemessene Unterstützung in der Krise
Betreuerhandeln vollzieht sich als Unterstützungshandeln im Modus einer spannungsreichen Einheit formaler und materialer Aspekte . Es geht für den rechtlichen Betreuer darum, Problemlösungen ausgehend vom Einzelfall und in Zuwendung zur ganzen Person des Klienten im Ergebnis unbedingt fallangemessen umzusetzen. Auch wenn dabei durchaus im Medium des Formalen gehandelt werden kann, muss die unterstützende Funktion, die bei fast allen Berufsrollen innerhalb der Rechtspflege gegeben ist, beim rechtlicher Betreuer deutlich vereinseitigt sein. Vereinseitigt ist die materiale Dimension einer durch durch aufklärendes, beratendes, übersetzendes und versprachlichendes Handeln zu befördernden Fallgerechtigkeit und Fallangemessenheit. Kerngeschäft rechtlicher Betreuung sind unterstützende Handlungen, die darauf zielen, die Seite des professionellen Fachwissens und der Rechtsnormen mit dem praktischen Fallverstehen so in ein Verhältnis zu setzen, dass der von der Krise Betroffene sich durch diese hindurch seine Autonomie bewahren kann.
In den Krisen eines einzelnen Menschen oder einer Gemeinschaft manifestiert sich, dass Routinen versagt haben. Es ist etwas eingetreten, dass die bisherigen Routinen, die einst selbst als Krisenlösungen entstanden, nun nicht mehr vernünftig erscheinen lässt. Eine darauf bezogene krisenbewältigende Unterstützung durch rechtliche Betreuung kann nur dann fallangemessen sein, wenn sie nicht schlicht eine Wahl zwischen der bisherigen Routine und anderen Problemlösungsroutinen „von der Stange“ ist, sondern wenn aus dem Fall heraus, von der betroffenen Person ausgehend eine neue Krisenlösung entworfen wird. Krisenbewältigende Unterstützung ist somit ein professionell-charismatisches Handeln in eine offene Zukunft hinein. Als solche ist sie nochmals in einen besonders zutreffenden Sinne der Würde des Menschen verpflichtet, die ja nur die Würde des werdenden und sich wandelnden Menschen sein kann.
Wesentliches Merkmal von professioneller Unterstützung durch rechtliche Betreuung ist ihre Fähigkeit zur Differenz. Sie vereinnahmt nicht, sie verleugnet die Differenz von Hilfesuchendem und Professionellen nicht, sie drängt sich nicht auf und macht sich nicht gleich. Gerade deshalb ist sie ist das Herz richtig verstandener, Differenz zulassender Inklusion. Immer ist vom Vertretenen auszugehen. Doch das Fallverstehen benötigt zur Überwindung der fallspezifischen Krise den Bezug zu „distanzierender“ Fallkasuistik und Fachwissen. Erst durch Synthese dieser beide Aspekte kann der rechtliche Betreuer das Medium eines Klienten werden, der sich aus der Krise heraus neu zu definieren hat. Differenz ist aus diesem Grund zur Umsetzung originärer Unterstützung unabdingbar.
Literatur:
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